Seid gegrüßt, FreundInnen der langen Geschichten am knisternden Lagerfeuer ...
höret, was mir einst zugetragen wurde von einem weisen Freund :
"Der Troll bewegte sich mit schnellen Schritten, und eine große Axt wild über seinem Haupt schwingend, auf ihn zu.
Schweißgebadet erwachte er und tastete unsicher nach dem Zweihandschwert, das er kurz vor dem Schlaf unter der schattigen Birke, neben sich in das Gras gelegt hatte.
Wie der Hufschlag eines Pferdes in vollem Galopp ging sein Atem. Er versuchte die Gedanken zu ordnen. Es war wieder einmal jener schlechte Traum, der ihn seit der Zeit der Schlachten in unregelmäßigen Abständen verfolgte.
Mit einem Tuch aus der Provianttasche wischte der Kelte sich den Schweiß von der Stirn.
Sein Gesicht war von Müdigkeit und einer nicht erklärbaren Kraftlosigkeit gezeichnet. Ein dunkler Vollbart war unter der zurückgezogenen Kapuze sichtbar geworden. Säuberlich vom Barbier gestutzt, nicht verwahrlost, wie man das bei der Sprache seines Gesichtes hätte vermuten lassen können. Langsam, immer noch mit schnellem pulsierenden Herzen, erhob sich die Gestalt und schnallte sich das Schwert auf den Rücken. Den Kapuzenumhang ließ er über seine umgeschnallte Waffe fallen, so daß nur noch ein riesiger Griff einer Waffe zu sehen war. Tief sogen seine Lungen die warme Luft ein.
In der Ferne tanzten Schmetterlinge verspielt über die Wiese.
Mit dem abgestumpften Metall seiner Schuppenrüstung und den zahlreichen vom Kampfgetümmel, wirkte er wie ein schroffer Fels, umgeben von einem Blumenmeer.
Durch den östlichen Tunnel gehend, gelangte er in die Hauptstadt. Kristalle an unbearbeitetem Fels erhellten den breiten Weg, aber er nahm all dies nicht wahr.
Mit gesenktem Haupt schritt er, in Gedanken versunken, durch die belebten Gassen, in denen sich die unterschiedlichsten Händler tummelten, um ihre Waren an die Vorbeiziehenden zu verkaufen.
„Ihr seht so aus, als wenn Ihr eine neue Waffe bräuchtet.“ Pries ein Waffenschmied seine gerade geschmiedeten Schwerter an. Ein leichtes Kopfschütteln war das einzige, was als Antwort kam.
Ziellos streifte er durch Tir na Nog, bis eine lärmende Schenke das Interesse geweckt zu haben schien.
Etwas Gerstensaft, um die schrecklichen Bilder zu vergessen, wäre sicher nicht verkehrt, dachte er bei sich, und so betrat er den weitläufigen Schankraum.
Um diese Tagesstunde herrschte noch nicht allzu viel Betrieb hier. In der Nähe des Eingangs nahm er einem freien Tisch Platz. Nach geraumer Zeit kam der Wirt gar persönlich an den Tisch um die fremde Gestalt in seiner Schenke eingehender zu beäugen.
Es schien, als wäre jemand vom Schlachtfeld schon lange nicht mehr hier eingekehrt.
„Was darf ich Euch bringen? Einen Krug des besten Bieres und eine Speise des Hauses vielleicht? Wir bieten heute frische Pilze aus der Pfanne an.“ sprach der Wirt.
„Bringt mir nur einen Krug Schwarzbier...sonst nichts!“
„Wie Ihr wünscht“ entgegnete der Wirt und verschwand kurz darauf hinter dem Tresen um das Bier zu zapfen.
Geraume Zeit später stellte er einen Krug mit schäumendem Bier auf den Tisch.
„Laßt es Euch munden, Fremder!“ und verschwand in der Küche.
Um die Mittagsstunde betrat eine zierliche elfische Waldläuferin den Schankraum und legte drei Rebhühner auf dem Tresen ab.
„Wirt, das sind die Rebhühner, die Ihr gestern bei mir in Auftrag gabt.“
„Nehmt dies als Entlohnung für Eure Mühen!“ sagte er und drückte der Waldläuferin einen Lederbeutel mit einigen Goldmünzen in die Hand.
„Seit bedankt...wenn Ihr wieder einmal etwas benötigt, schickt einfach nach mir in die Wälder.“
Sie wollte den Raum gerade verlassen, da fiel ihr Blick auf den Gast am Tisch neben dem Eingang. Dieser starrte, in Gedanken versunken, auf den Krug vor sich.
„Darf man Euch etwas Gesellschaft leisten?“ fragte sie mit sanfter Stimme.
Der Schmerz im Gesicht dieses Mannes war der Frau nicht entgangen. Ihr Herz schrie vor Schmerz auf, als sie das Leid in dem gequälten Gesicht wahrnahm.
Leere Augen musterten sie.
Die Sekunden verstrichen, bis eine monotone Stimme antwortete: „Wenn Ihr meint, dann setzt Euch zu mir, es handelt sich bei mir aber um keine allzu gute Gesellschaft.“
„Verzeiht, ich vergaß mich vorzustellen. Man pflegt mich Kalessin zu rufen und wie lautet Euer Name?“
„Ariakus!“ antwortete er knapp.
„Ariakus?“
„Ja, Kalessin, Ihr habt richtig vernommen.“
„Gehörtet Ihr nicht einst den Druiden an? Was ist denn geschehen?“ fragte Kalessin sichtlich verwirrt.
Er nahm einen großzügigen Schluck aus dem Krug und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund.
„Wollt Ihr wirklich mein Leid hören, Euch mit dem belasten, was mich quält?“ Ein tiefer Seufzer entfuhr seinem Mund.
„Wenn ich damit die Qual, welche auf Euch zu lasten scheint, lindern kann, dann gern.“
Man könnte es förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Seine trüben Augen blickten sie an.
„Als ich noch ein Kind war, erfüllte mich kein Wunsch mehr, als ebenfalls Druide zu werden, wie es mein Vater war. Durch die Wälder und Wiesen zu streifen bedeutete mir sehr viel. Man konnte eine tiefe Verbundenheit mit der Natur spüren...wußte um das Gleichgewicht. Mit zehn Lenzen unterwies mich mein Mentor in der Heilkunst, und wie man Tote in das Reich der Lebenden zurückkehren läßt.
Der Druidenzirkel entsandte mich, um Erfahrung zu sammeln.
‚Stell dein Können in den Dienst der Bewohner des Landes’ sprachen sie.
So zog ich, nur mit dem Nötigsten und etwas Proviant aus, um von einer Stadt zur nächsten zu reisen um den Leuten dort mit meinem erlernten Wissen über die Kräfte der Natur behilflich zu sein. Manchen interessanten Ort sah ich in all den Jahren. So manches Grab und Höhle mußte seine Geheimnisse vor uns offenbaren. Selbst in die Siabrastadt im Moor verschlug es mich mehrmals. Haben Gefahren unterschiedlichster Weise gemeistert. Das Leben nahm seinen Lauf. Doch eines Abends meldeten die Wachen Drium Ligens feindliche Krieger aus dem eisigen Norden.
Bestialische riesige Trolle, widerwärtige Kobolde und zähe Zwerge hatten den Weg in die äußeren Bezirke Hibernias gefunden. Reisenden wurde an den Wegen aufgelauert und hinterrücks erschlagen. Bis in die Schlucht selber wagten sie sich vor und überschütteten Wachen wie herbeigeeilte Bürger mit Spott und Flüchen in einer uns unbekannten Sprache.
Jene Bilder des Grauens wurden zur bitteren Normalität, da sie sich immer wieder ereigneten.
Abenteuergruppen und Patrouillen begleitete ich zu ihrem Schutz. Es schien wie ein Fluch, der auf mir zu lasten schien.
Ich war dazu verdammt, mit ansehen zu müssen, wie in einem schier endlosen Kreislauf Kelten, Lurikeen und Firbolgs unter meinen Händen dahinsiechten. Ihre Schreie im Angesicht des Todes fraßen sich, wie eine Made durch einen Apfel, in mein Bewußtsein.
Der Gesichtsausdruck auf den erstarrenden Gesichtern schien mich nach einem Sinn zu fragen. Eine nicht greifbare Taubheit legte sich über Denken und Handeln. Als wäre ich von Eis umschlossen, verweilte ich angewurzelt an den Plätzen des Todes.
Überall tränkte das Blut die einst grünen Wiesen. Bäume wie Sträucher warfen ihre grünen Blätter ab, so als wenn der rotgetränkte Boden sie dahinsiechen lassen würde. Die Naturgeister zogen sich aus diesen Regionen zurück, wo das Gleichgewicht zerstört war. Nachts schreckte ich immer wieder auf, geplagt von düsteren Visionen, in denen das Grauen vor meinem inneren Auge vorbeizog.
Mit der Zeit wandelte sich die Hilflosigkeit in blanken Haß. Rachegelüste keimten in meinem gepeinigten Herzen. Für jeden Toten sollten sieben aus ihren reihen in die niederen Ebenen gehen. In Gedanken malte ich mir aus, wie unsere Feinde durch eine wütende Klinge zur rechte wie zur linken Seite fielen. Der Drang zu kämpfen wuchs stetig.
Eines Tages sandte ich einen Boten zum hohen Rat der Druiden mit der Bittschrift um eine Anhörung. Man stimmte der Bitte zu, und so fand ich mich einige Wochen später zu einer Versammlung ein, wo mein Anliegen vorgetragen wurde. Man prüfte den Beweggrund des Handelns und entließ mich schweren Herzens aus dem Druidenstand.
Von der alten Last befreit schrieb ich mich noch am selben Tag in der Akademie der Kämpfer ein. Aufgrund des Wissens um die Naturmagie, wiesen die Großmeister mir einen Platz bei den Champions zu. Der Umgang mit Waffe und Magie war ein ungewohntes Zusammenspiel, das mir bis zu diesem Tag vollkommen fremd war.
Jahre schweißtreibender Übungen vom frühen Morgen bis in den Abend verstrichen.
Es kam der Tag, wo Freiwillige für einen Patrouillengang gesucht wurden.
Begierig, die neu erworbenen Künste anzuwenden, gab ich meine Bereitschaft hierzu kund. Aufgrund guter Fortschritte ließ man mich gewähren.
Als das Zweihandschwert in meinen Händen das erste Mal Blut leckte, verfiel der Geist in Raserei. Die Klinge flog mit einer solchen Genauigkeit durch die Luft, als wenn ein Sonnenstrahl durch Butter dringt.
Jene Leichtigkeit war beklemmend und der Zorn, welcher jedes Mal brodelte, ließ kalte Schauer über meinen Rücken gleiten.
Mit der Zeit wuchs das Geschick, sowie die Sehnsucht nach Rache für all die Toten, die meine sterblichen Augen auf dem Schlachtfeld erblickten.
So führten die Wege immer häufiger zu den Orten zurück, an denen die gepeinigten Seelen nach Vergeltung riefen.
Die Zauber schwächten den Gegner, dann saugte die Klinge jeden Tropfen Leben aus den sterblichen Hüllen. Jeder Tod eines Feindes erfüllte mich mit einer unbeschreiblichen Genugtuung, ließ aber das Verlangen nach mehr Blut anwachsen.
Ja, Kalessin, so sitze ich nun hier, habe die Herkunft verraten und lasse mich von Rachegelüsten leiten. Ein Schatten liegt über meinem Herzen. Doch ich bin unfähig das zu ändern, was ich so sehr verabscheue.“
Sie blickte in seine trostlosen Augen. Schmerz wie auch Haß schienen sich vor ihr aufzutürmen wie eine gigantische Flutwelle.
„Was hat das Leben für einen Sinn, wenn man selber vom Tod umgeben ist und ihn nur als Ziel am Ende eines Lebens sieht?“ fragte sie.
„Gönnt Euch etwas Ruhe und sucht einen Priester auf, er kann sicher Eurer gepeinigten Seele Trost spenden.“
„Ja, das sollte ich wohl tun.“ Antwortete er, mit dem Blick in die Leere gerichtet.
Kalessin verabschiedete sich und ließ Ariakus in der Schenke zurück.
Der Abend hatte sich in der Zeit über das Land gelegt und so fragte der Kelte nach einem Zimmer. „Wirt, habt Ihr wohl ein Zimmer für mich?“
„Ich könnte Euch eine Kammer zur Straßenseite geben.“
„Das klingt gut, so kann ich die müden Glieder einmal wieder entspannen.“
Mitten in der Nacht drang eine leise Stimme in seine Träume.
Komm, folge der Bestimmung, widersetze Dich nicht dem, wozu Du bestimmt bist.
Kerzengerade saß er im Bett, den Schlaf noch in den Augen.
Sterne funkelten am nächtlichen Himmel.
War dies nur ein Traum gewesen?
Du kennst den Ort, warum zögerst Du?
Da war sie wieder, es war also doch keine Einbildung. Eine innere Stimme sagte ihm, daß er nach Innis Carthaig reiten solle. Hastig kleidete er sich an und verließ kurz darauf die Schenke durch den leeren Schankraum. Auf den Straßen liefen nur die Stadtwachen ihre Runden. In Mag Mell nahm er ein Pferd, machte in Ardagh einen kurzen Halt um dann weiter nach Howth reiten. Hier angekommen, schlug er die Route in das Cullen Moor ein.
Durch die gewaltigen Bäume im Wald vor Innis Carthaig ging der Ritt hindurch.
Gespenstische Stille schien den Ort zu umgeben. Am Ortstein sprang der Champion vom Pferd und lief, getrieben von Neugier sowie der Stimme, tiefer in das Moor hinein.
Die Siabras am Wachturm, an denen er vorbeilief, spürten eine Veränderung in der stickigen Luft. Der Eingang zu einer Schlucht tat sich auf, in der Schatten über das Licht herrschten und kleine Gestalten mit schimmernden Pigmenten ihr Unwesen treiben.
Er war am Ziel angekommen."
Geschrieben von Meldryn
mit der steinharten Korrektur von Kopremesis